Beschreiben Sie für unsere Leser*innen was hinter dem Begriff „Circular Economy“ steckt.
„Circular Economy“ oder auch „Kreislaufwirtschaft“ bedeutet zunächst, dass Produkte und auch Komponenten durch Reparatur, durch Überholung und durch Austausch von Teilkomponenten wesentlich länger am Leben gehalten werden. Erst danach folgt in der Kreislaufwirtschaft die Wiederaufarbeitung der Rohstoffe in gebrauchten Produkten, was bei wertvollen Rohstoffen wie Stahl, Aluminium oder seltenen Erden sinnvoll, aber zum Beispiel bei Kunststoffen schon recht schwierig ist. Die Verlängerung der Produktlebensdauer durch Kreislaufwirtschaft ist das Ziel, das wir mit unserem Shuttle META verfolgen.
Das Fahrzeug wird alle fünf Jahre gründlich überholt und auf den Stand des Nachfolgermodells aufgewertet. Dabei wird nach fünf Jahren die Batterie ausgewechselt, die dann noch ca. 20 Jahre im stationären Betrieb in Solaranlagen weiterverwendet wird. Wir ersetzen darüber hinaus Interieur-Teile, Displays und teilweise Computerhardware. Das Fahrzeug ist so modular konstruiert, dass auch die Thermoplast-Exterieur-Teile bei Bedarf mit kleinem Aufwand ausgetauscht werden können. Das Shuttle META könnte so bis zu 50 Jahre funktionsfähig und attraktiv für den Kunden bleiben. Im Unterschied zum heutigen Neuwagen, der hier in Deutschland zum Beispiel nur im Durchschnitt 11,3 Jahre lebt.
Haben Sie eine eigene Micro Factory und könnten Sie für uns den Begriff der Re-Assembly Factory erläutern?
Wir werden unsere Fahrzeuge in eigenen Micro Factories montieren. Micro Factories sind nur möglich, wenn man die klassischen kapitalintensiven Prozesse durch geeignete Technologie und Architektur des Produktes vermeiden kann. Zu den Kostentreibern gehören das Presswerk mit typischerweise sehr teuren Werkzeugen, der hochautomatisierte Rohbau und die Lackiererei. Die modulare Architektur unseres Fahrzeugkonzeptes geht von einer anderen Technologie aus. Wir bauen die Fahrzeuge aus einem Aluminiumprofil-Spaceframe-Konzept auf, eine tragende Struktur, die die Verwindung und damit die Materialermüdung des Fahrzeugs im Betrieb nahezu gänzlich vermeidet. Die Außenhaut unserer e.Volution-Fahrzeuge, die keine tragende Funktion hat, besteht aus einem sehr edlen Multilayer-Thermoplast-Material mit besonders hochwertiger Oberfläche bei gleichzeitiger Kratzunempfindlichkeit. Wir wollen unsere erste Micro Factory in Aachen im bisherigen Conti-Reifenwerk aufbauen. Darüber hinaus entwickeln wir gerade erstmalig ein Fabrikkonzept für das Re-Assembly des Shuttle META. Hier soll in einem industriellen Prozess die Aufarbeitung und Aufwertung der META Shuttle alle fünf Jahre hoch effizient durchgeführt werden. Dazu ist eine umfassende digitale Fahrzeugakte erforderlich, die bereits einige Monate vor dem Re-Assembly des Fahrzeuges eine genaue Planung und Disposition des Re-Assembly-Prozesses ermöglicht.
Was steckt hinter der Idee des Shuttles META? Sie müssen ja eine Idee von der Entwicklung des Verkehrs in der Zukunft haben, um das MUV, also META Utility Vehicle, als passende sinnvolle Lösung zu entwickeln?
Bis zu 70 % aller städtischen PKW-Fahrten macht heute den Pendlerverkehr aus. Dabei ist ein PKW in der Regel nur mit einer Person besetzt. Wir verfolgen mit unserem Shuttle-System das Ziel, dass ein Shuttle durchschnittlich mit 4 oder 5 Personen ausgelastet ist. Damit soll die Anzahl der PKW-Fahrten besonders zu den Hauptverkehrszeiten deutlich reduziert werden. Die Unternehmen verbessern mit dem Shuttle-Betrieb ihren CO2-Footprint, sie vermeiden Staus auf dem Weg zu und von ihren Arbeitsstätten und machen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein attraktives, betriebliches Mobilitätsangebot. Je nach beruflicher Tätigkeit kann die Fahrzeit als Arbeitszeit genutzt werden. Die Unternehmen wählen die Mitarbeitenden aus, die die Verantwortung für die einzelnen Shuttles übernehmen und morgens sowie abends die anderen Pendlerinnen und Pendler fahren.
Wo sind die Einsatzgebiete? Wird der META verkauft oder vermietet und wer sind die angepeilten Nutzer*innen?
Das Shuttle META kommt zukünftig im städtischen Pendlerverkehr zum Einsatz, um das hohe Stauaufkommen zu Hauptverkehrsstoßzeiten zu reduzieren. Unsere Hauptzielgruppe ist somit das Unternehmen und seine Mitarbeitenden. Zum einen können Unternehmen ihren CO2-Footprint durch die deutliche Verringerung der Privat- und Einzel-Anfahrten der Mitarbeitenden zur Arbeitsstätte reduzieren. Zum anderen kann sich ein Unternehmen durch dieses Mobilitätsangebot als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Das META kann als Corporate Shuttle für 999 Euro monatlich inklusive Rundum-Sorglos-Paket von Unternehmen gemietet werden. Die Auslieferung beginnt voraussichtlich Ende 2024.
Wie läuft das praktisch ab? Gibt es eine App? Holt das Shuttle als Teil einer Firmenflotte dann Kollegen gemeinsam aus einem Wohngebiet ab?
Die Mitfahrt bei einer Kollegin oder einem Kollegen wird über unsere META Ride App gebucht. Die Abhol- und Ankunftszeit wird in Echtzeit angezeigt. Der Fahrende holt die Kollegen dann an vereinbarten Knotenpunkten ab, beispielsweise in Wohngebieten oder am Stadtrand. Zukünftig wird es Mobility-Hubs geben, die als Verkehrs- oder Umstiegspunkte die bestehende Infrastruktur ergänzen. Dort werden viele verschiedene Mobilitäts- sowie Serviceangebote zur Verfügung stehen.
Wie kann man sich das vorstellen mit den Mobility-Hubs? Die sind ja nicht einfach da.
Mobility-Hubs werden sich überwiegend aus der bestehenden Infrastruktur heraus entwickeln. Parkhäuser und Parkplätze, die sich als Verkehrsknotenpunkte anbieten, werden beispielsweise durch Serviceangebote, Dienstleistungen und verschiedene Mobilitätsangebote ergänzt. Bei der Entwicklung neuer Quartiere und Unternehmensstandorte sollte zukünftig natürlich von Anfang an eine Immobilie konzipiert und gebaut werden, die alle Mobilitätsangebote perfekt miteinander verbindet. Mobility-Hubs, die dann auch Energiemanagement, Co-Working-Spaces, Einkaufsmöglichkeiten und Logistikfunktionen anbieten, stellen neue, komplexe Herausforderungen an den Immobilienmarkt. Zusammen mit der e.Mobility.Hub GmbH führen wir schon erste Gespräche mit den Städten Aachen, Bonn, Bochum und Münster, wie Mobility-Hubs für Unternehmen, Städte und Quartiere realisiert werden können.
Was unterscheidet das Konzept von Ride Hailing Anbietern wie Berlkönig?
Wir verfolgen mit META einen Corporate Shared Mobility Ansatz. Bei uns mietet ein Unternehmen unser Fahrzeug und bietet seinen Mitarbeitenden ein kostenfreies Mobilitätsangebot für den Arbeitsweg an. Ein Mitarbeitender nimmt dabei seine Kollegen morgens mit zur Arbeit und zum Feierabend mit nach Hause. Das bietet sozusagen eine Firmenprivatsphäre. In unserem Fahrzeug, das bis zu 4 Büroarbeitsplätze hat, ist die Fahrzeit also schon Arbeitszeit. Die Fahrten mit unserem META sind somit immer geplant und routenoptimiert, so dass keine Leerfahrten entstehen. Bei klassischen On-Demand-Ridesharing-Angeboten wird in der Regel ein bezahlter Fahrer eingesetzt. Die Fahrzeuge oder Kleinbusse kommen auch nur in einem begrenzten Gebiet zum Einsatz. Sie transportieren jede Person, sodass keine Privatsphäre unter den Mitfahrenden gegeben ist.
Woher kommt die fachliche Expertise zur Entwicklung eines solch hochtechnologischen Fahrzeugs?
Aachen hat sich seit 2010 zu einem starken Standort in Deutschland für Elektromobilität entwickelt. Mit unseren Produktionsforschern und Produktionsforscherinnen konnten wir auf dem RWTH Aachen Campus schon mehrfach den Beweis antreten, dass mit Industrie 4.0 eine besonders kostengünstige Prototypen- und Kleinserienproduktion von Elektroautos möglich sind. Beispiele sind StreetScooter, e.GO Mobile oder die e.GO MOOVE. e.Volution verfügt deshalb über große Kompetenz zur hochiterativen Entwicklung von Fahrzeugen und eine breite Expertise im Bereich von Micro Factories und der Fahrzeug-Homologation. Neu erforschen wir gerade mit dem WZL der RWTH Aachen den Aufbau und Betrieb von Re-Assembly Fabriken, die im Sommer 2023 exemplarisch demonstriert wird.
Was sind die Vorteile für Unternehmen und Mitarbeitende?
Der CO2-Footprint beispielsweise eines mittelständischen Unternehmens mit 1.500 Mitarbeitenden wird bis zu 25% durch den Pendlerverkehr seiner Mitarbeitenden verursacht. Mit dem Einsatz eines Corporate Shared Mobility Shuttle-Betriebs reduzieren Unternehmen ihre CO2-Emissionen und das Stauaufkommen auf dem Weg zu und von ihren Arbeitsstätten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erhalten ein attraktives, betriebliches Mobilitätsangebot und können während der Fahrzeit schon arbeiten oder die Zeit für sich persönlich nutzen. Die Unternehmen wählen die Mitarbeitenden aus, die die Verantwortung für die einzelnen Shuttles übernehmen und morgens sowie abends die anderen Pendlerinnen und Pendler fahren.
Danke für das Interview!
Fazit: Firma XY spart mit 20 dieser Shuttles pro Wagen die Parkplätze für sieben Mitarbeiter und der Stadt erspart das gleich 140 PKWs morgens auf der Straße. Die Mitarbeiter können sich an den Kosten beteiligen, bzw. es als Benefit for free bekommen. Das Unternehmen reduziert damit auch massiv seinen Kohlendioxid Abdruck. Mitarbeiter müssenmorgens nicht mit fremden Menschen, in vollen Bussen und Bahnen zur Arbeit, was viele nach Corona überfordert. Sie sehen bereits ihre Kollegen, was gut ist für die soziale Komponente bzw. können mit einem Meeting fertig sein, bevor sie überhaupt im Office ankommen.
Das Bild von Prof. Schuh in der Produktion hat das Copyright imago/Wolterfoto.