Wenn die Insel endlich im Fenster des Flugzeugs auftaucht, ist es ein bisschen so, als würde sich Godzilla aus dem schäumenden Mittelmeer erheben. Schroff und imposant wie eine uneinnehmbare Festung und dabei wunderschön. Ein Minikontinent mit erstaunlicher geographischer Vielfalt, der glitzernde Buchten, zeitvergessene Bergdörfer und schartige Bergrücken vereint mit sonnenverbrannten Lehmebenen und urwüchsigen knorrigen Wäldern. Korsika ist der Jurassic Park Europas.
Das Cap Corse an der Nordspitze ist 40 km lang, zwischen 10 und 15 km breit und wird gern auch als Korsika in Miniatur bezeichnet. Strecke einfach den linken Arm aus und machen diese typische Geste mit der Hand, wenn man Kindern etwas verbietet. Der ausgestreckte Finger ist dann die geografische Entsprechung des Kaps zum Rest der Insel.
Unterwegs im Korsika Urlaub ohne Auto ist wie Marathon laufen in Flip Flops
Um es kurz zu machen: Korsika mit Bus und Bahn zu durchqueren ist zwar möglich, aber Busse verkehren auf der Insel relativ unregelmäßig und nur ein- bis zweimal täglich. Die Fahrt mit der Bahn ist beschaulich, aber chancenlos, um damit zu den hier vorgestellten Destinationen zu kommen. Ohne Auto ist man als Individualreisender im Korsika Urlaub praktisch aufgeschmissen. Sobald es in die Berge geht, plane bei deinen Ausflügen eine durchschnittliche Geschwindigkeit von ca. 40km/h mit ein. Du wirst auf Straßen unterwegs sein, wo es direkt neben dir hunderte Meter steil bergab geht (eine echte Herausforderung für den Beifahrer) und keine Leitplanke halbwegs Schutz bietet. Du wirst auf Straßen unterwegs sein, die U-Turns mit mehr Steigung als im Hochgebirge bieten. Zweiter Gang ist hier oft der Standard. Ab und zu auch das Zurücksetzen des Autos.
Der Norden ist menschenleer und das ist gut so
Korsika, das ist nicht einfach eine Ansammlung von Touristenspots. Korsika ist überall. Es ist die, dich aufatmen lassende, Wildheit links und rechts der Straße. Es ist das Boule Spiel der alten Männer auf den kleinen Plätzen in den malerischen Küstenstädten. Es ist die Essenz mediterranen Lebensgefühls, kombiniert mit der Freiheit von Menschen. Eine gesegnete Rückzugsgegend für Individualisten mit Geschmack. 20 Km sind es nur vom Südzipfel Korsikas zum Nordzipfel Sardiniens. Vieles ähnelt sich, aber Korsika ist spürbar bergiger und unberührter. Der Norden Korsikas ist wie der Osten Mallorcas eine wahre Erholung von dem touristischen, überfüllten Süden der Insel.
Auf keinen Fall im Korsika Urlaub mit fast leerem Tank losfahren. Auf dem Cap Corse sind Tankstellen rar gesät. Genügend Bargeld ist auch wichtig, denn Geldautomaten sind hier seltener zu finden als dressierte Katzen.
Es geht im Korsika Urlaub von Macinaggio nach Centuri einmal ums Cap:
Erster Stop: Der heimliche Strand
Der heimliche Strand heißt sicher anders, oder hat einfach gar keinen Namen. Aber ich habe seine Google Koordinaten: 42.973432, 9.454029
Den Tipp bekamen wir vom Hotel, in dem wir logierten, dem Marina d’Oro, in Macinaggio. Solltest du dort mal einkehren, versuche ein Zimmer zur linken Seite hinaus zu bekommen, denn von der Terrasse des Zimmers hat man den perfekten Blick auf nachmittägliche Boule Spiel. Um zum geheimem Strand zu gelangen ist etwas Mut erforderlich, denn es geht über staubige Ackerwege, Dünen und Schotterpisten. Nach dem ersten Mal ist es wesentlich leichter und es lohnt sich wirklich, denn man ist entweder ganz oder fast allein.
Zweiter Stop: Rogliano
Von Macinaggio kommend, erreicht man nach wenigen Kilometern eine Abzweigung nach rechts in Richtung Rogliano. Das Dorf ist eines der attraktivsten Bergdörfer in Cap Corse und hat mehrere historische Denkmäler, darunter einen genuesischen Turm aus dem 15. Jahrhundert, die imposante Kirche Sant’Agnellu und eine weitere alte Kirche. Rogliano umfasst ein recht ausgedehntes Gebiet, das einen großen Küstenabschnitt sowie die Finocchiarola-Inseln umfasst. Unser heimlicher Strand gehört zum beispiel geografisch zu Rogliano.
Dritter Stop: Moulin Mattei
DER einzig wahre Panorama Punkt am Ende des korsischen Kaps. Ein atemberaubender 360 ° Blick auf Ruinen von zwei Mühlen, sieben Windkrafträder, Centuri, Bergdörfer und das Meer. Und auf die namensgebende alte restaurierte Mühle Moulin Mattei, die von der gleichnamigen Destillerie aus Bastia als einzige der zahlreichen alten Mühlen renoviert wurde. Sie ist die letzte erhaltene der insgesamt 13 Windmühlen, die mal in Betrieb waren. Die alte Mühle ziert die Etiketten des bekanntesten Getränks aus dem Hause Mattei, dem Aperitif Cap Corse Mattei, der auf Korsika zu jedem guten Essen gehört. Er ist wirklich typisch korsisch, denn sein Geschmack ist eigenwillig, und entsteht aus Muskatwein und Quinquina (Chinarinde).
PS: Wer seinen Hut mag, sollte ihn gut festhalten. Hier oben weht ein kräftiger Wind.
Vierter Stop: Nonza
Wer glaubt, dass Centuri klein ist… Nonza hat gerade mal 70 Einwohner. , Das kleine Dorf, das auf einem 200 Meter hohen Felsen liegt, ist etwas für Effektivitätsfanatiker. Hier gibt es gleich zwei Sehenswürdigkeiten auf einmal. Bekannt ist es vor allem durch den, über einem Kilometer langen, schwarzen Strand von Nonza, der übrigens seine Farbe vom Abraum der bis 1965 betriebenen Asbestmine hat, von der heute noch die Ruine kündet. Schon von oben zu sehen sind die vielen Liebesschwüre, Namen, Figuren und Tribal Muster aus weißen Kieseln. Betreten ist eigentlich nicht erlaubt. Wem das egal ist, der hat ca. 1000 Treppenstufen vor sich und eine Viertelstunde zu Fuß. Oder du parkst am anderen Ende des Strandes. Hier führt eine Piste von der Departementalstraße ab und schlängelt sich bis fast zum Strand hinunter.
160 m über dem Meeresspiegel wartet der Torra di Nonza. Der quadratische Turm von Nonza bietet einen einzigartigen Ausblick über den grauen Kieselstrand und ist umrahmt von einer alten militärischen Anlage. Und zum Essen geht’s ins U Franghju, das mit korsischen Spezialitäten und einem wunderbaren Ausblick von der Terrasse glänzt.
Fünfter Stop: Centuri
Wie soll man Centuri beschreiben? Wie alle Orte im Cap Corse, ist Centuri noch sehr ursprünglich und authentisch. Mir fallen als erstes diese alten italienischen bunten Technicolor Filme mit Sophia Loren und Anthony Quinn ein. Weiße Holzboote mit blauen, orangefarbenen oder gelben Linien. Silbrige Fischschuppen und Netze. Eine gleißende Sonne vor perfekt blauem Himmel. Der Traum des Savoir-vivre eines geplagten Großstädters. Centuri hat nur knapp etwas über 200 Einwohner. Es gibt eine Zufahrt von der Küstenstraße, die in ca. 10 Minuten hinunter zum Hafen führt. Touristen Busse verirren sich nur selten hierher, denn die kurvige Straße ist wie eine natürliche Barriere. Man erzählt sich übrigens, der kleine Hafen sei die Wiege der französischen Langustenfischerei schlechthin. Und genau das sollte man ausnutzen und Essen gehen. Idealerweise im La Bella Vista auf der rechten Seite des Hafens. Von dort hat man den perfekten Blick auf das Treiben der Fischer und den Sonnenuntergang.
Bilder & Text: Jens Schwan